· 

Die Geschichte eines Wasserkäfers und einer Libelle

 

 

Es war einmal ein kleiner Wasserkäfer, der in der Dunkelheit eines Tümpels ums Überleben kämpfte. Jeden Moment musste er auf der Hut sein um nicht selbst gefressen zu werden. Selbst musste er jedoch auch fressen und stöberte kleinere Insekten wie Wasserflöhe auf. Es war eine kleine und gefährliche Welt. Zwischendurch erreichte ein von oben kommender Lichtstrahl ausgehend von einer unsichtbaren Quelle seine Augen und er schaute nach oben. Da entdeckte er die Beinchen einer Libelle an der Wasseroberfläche. Von unten nahm er mit der Libelle Kontakt auf. Wie durch ein unsichtbares Kommunikationsnetz konnte er mit ihr kommunizieren. Die Libelle erzählte ihm von ihrer Welt und beschrieb die wunderbaren und hohen Berge, die grünen und geheimnisvollen Wälder, die Bäche, Flüsse und Seen mit ihren wunderschönen blau und türkisfarben. Sie beschrieb den Himmel in seiner ewiglich gleichbleibenden und doch immer veränderten Gestalt. Die Libelle schwärmte von ihren Flügen und den vielen Wundern auf der Erde. Ihr Leben schien von Leichtigkeit und Freude geprägt.

Dies konnte der Wasserkäfer nicht nachvollziehen. Er hatte diese Bilder nicht in seinem Kopf. Auch wenn eine tiefe Sehnsucht ihn heimsuchte bei den Erzählungen der Libelle, tat er deren Erfahrungen als Unfug ab. Was nicht ist, darf nicht sein. So ein quatsch. Wer hat denn das schon mal erlebt? Doch die Geschichte liess ihn nicht los und so machte er sich auf die Suche. Er wollte die Wahrheit wissen. Er wollte die Bestätigung, dass er mit seinen Überlegungen richtig lag. So befragte er viele Wassertiere in seinem Tümpel. Er fragte den grossen Raubfisch vor dem er eigentlich sonst Angst hätte. Dieser war sehr verblüfft und tat ihn als Träumer ab. Nie hätte er dergleichen gesehen. Wohl hätte er dieses Licht schon gesehen, dies ihm aber nicht gut tue und er wisse, dass wenn er das  Wasser verlassen würde, er sterben müsse. So kann dies, was die Libelle erzählt auf keinen Fall wahr sein. 

Der Wasserkäfer befragte einen Wurm, der sich im Sand eingegraben hatte. Dieser antwortete ihm grimmig, dass er ihn wohl in Ruhe lassen soll mit solch einem Unsinn. Es gäbe nichts anderes als Wasser, Sand, Trübheit und die Leckerbissen, die sich im Sand befanden. Aufpassen müsse er nur, dass er nicht von diesen Meeresungeheuern gefressen würde, wie ein gefrässiger Fisch oder eine Ente, welche urplötzlich aus dem Nichts herbeizischten und seinesgleichen aufpickten.

So befrage er viele Wasserwesen und liess sich beratschlagen. Hatte er doch recht gehabt mit seiner These. Die Libelle war eine Träumerin, eine Wahrheitsvertuscherin, eine Realitätsflüchterin, oder war sie vielleicht auf Drogen?

Da schoss eine Ente von oben nach unten und wollte ihn erhaschen. Stop! Schrie er. Ich habe eine Frage. Kannst Du mir sagen, ob die Welt, von der die Libelle mir erzählt hat, Wirklichkeit ist? Die Ente ganz verdutzt, konnte nur jappsend erwidern und fragen, was hat denn die Libelle dir erzählt? Ja, sie erzählte von hohen Bergen, von Winden, vom Sonnenschein, dem Sternenhimmel, den schönen Wäldern und langen Flüssen, Bächen, tiefen Seen und einem unendlichen Wasser so voller blau wie der Himmel. Sie erzählte sogar, dass sie fliegen könne und frei sei und dass ihr Leben Leichtigkeit und Freude ist.

Ja, sagte die Ente. Solches kann ich nur bestätigen. Ich kann auch fliegen. Habe viele Berge, Felder, Weiden, Flüsse, Bäche, Seen und auch das Meer schon gesehen. Ich liebe die Sonne und geniesse deren wärmende Strahlen und sollte es mir zu heiss werden, gehe ich baden. Ich liebe mein Leben und bin mit meinesgleichen am geniessen von jedem Augenblick. Wenn mich hungert, tauche ich ab und erhasche so einen Frechdachs wie dich, der mir meinen Hunger stillt. Ich kann nur bestätigen, dass mein Leben Freude macht und ich immer alles habe, was ich brauche. 

Schnell verkroch sich der Käfer vor dem hungrigen Schnabel der Ente.

In einem sicheren Versteck grübelte er und grübelte und während er so dahingrübelte vollzog sich in ihm unbemerkt ein Wandel. Tief in seinem Innern schien sich etwas zu erinnern, schien sich etwas zu verändern. Er hatte einen Traum und in diesem sah er sich fliegen. Er war leicht wie ein Schmetterling. Er fühlte sich geborgen, eingehüllt in ein Strahlenmeer von Licht und Glückseligkeit. An dieses Gefühl erinnerte er sich noch nachdem er aufgewacht war. Mutig krabbelte er an einem Grasstiehl nach oben an die Wasseroberfläche. Er wollte es wissen, egal, ob er dabei drauf ging. Schlechter, als das, was er bisher erlebt hatte, konnte es wohl nicht sein. 

Er blickte aus dem Wasser und krabbelte weiter. Völlig benommen von der neuen Welt, dem Licht und den Farben, musste er sich ausruhen. Seine Augen mussten sich an dieses Licht gewöhnen. Er fühlte in sich, dass er bereit war. Er war bereit für die Veränderung. Diese vollzog sich wie ein Wunder. Es war, wie wenn er sein altes Leben losliess und ein neues geboren wurde. Er liess alles Alte los und wie, wenn er dies schon immer gewusst hatte und es auch so gewöhnlich und gewohnt sich anfühlte, entfaltete er seine Flügel und erhob sich in die Lüfte. 

Wie in einem Traum nahm er all die Farben war, das Licht erstrahlte so wunderschön und er fühlte sich leicht und glücklich. Träumte er? Nein, es war Wirklichkeit. 

Die Libelle hatte doch recht.

Dann sah er sie - die Libelle und paarte sich mit ihr. Das Glück schien vollkommen und ein Kreis schloss sich.

 

Rowenna, verfasst am 4.11.19

 

P.S. Diese Metapher kam mir beim Autofahren in den Sinn um meiner Schwester meine Lage verständlich zu machen. Sie meint, dass ich auf dem Irrpfad bin und hat im Zürcher Tagesanzeiger einen Bericht von Hugo Stamm gelesen, welcher ihre Meinung weitergibt. Diejenigen, welche Hugo Stamm kennen, wissen, dass er kein Grashalm stehen lässt. Er ist der Saulus dieser Zeit, ein Wasserkäfermensch und ich bin in der Hoffnung auf Erleuchtung für ihn, damit daraus der Paulus entstehen möge.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0